Im Jahr 2011 wollte Rick Perry, damals texanischer Gouverneur, Präsident der USA werden. Während einer Vorwahlkampf-Debatte kündigte er an, drei Ministerien zu streichen, und nannte die Ressorts Handel, Bildung und Energie. Als 2017 Donald Trump ins Weiße Haus einzog, nominierte er ausgerechnet Rick Perry als Energieminister. In seiner Senatsanhörung räumte Perry ein, er habe damals nichts über die Aufgaben des Energieministeriums gewusst. Episoden wie diese werfen ein befremdliches Bild auf die Regierung von Donald Trump, Michael Lewis erzählt einige davon. Er spricht sogar von „vorsätzlicher Blindheit“, denn: „Wer nur an kurzfristigen Gewinnen interessiert ist und sich nicht für den langfristigen Preis interessiert, der ist besser bedient, vor diesem Preis einfach die Augen zu verschließen. Wer gegen schwierige Probleme immun bleiben will, sollte sich gar nicht erst mit ihnen beschäftigen. Blindheit hat Vorteile, Wissen Nachteile. Wissen kann einem das Leben schwerer machen. Wissen macht es schwieriger, die Welt auf ein einfaches Weltbild zu reduzieren.“
Tabitha Soren
Michael Lewis kam in seinen Gesprächen mit früheren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mehrerer Ministerien immer wieder an einen Punkt: Die Bevölkerung weiß gar nicht genau, wofür die Ministerien zuständig sind. Deshalb haben viele Menschen keine Ahnung, was der Staat für sie leistet. Das Energieministerium kümmerte sich beispielsweise um radioaktiven Müll, sorgte für den sicheren Transport von Atomwaffen und erforschte den Klimawandel. Es unterstützte Unternehmen, die alternative Energien fördern, mit zinsgünstigen Krediten, es finanzierte die Entwicklung von Teilchenbeschleunigern und Supercomputern, seine Wissenschaftsabteilung arbeitete für viele Forschungseinrichtungen im ganzen Land. Doch das Trump-Übergangsteam interessierte nur, wer bisher an der Reduzierung fossiler Brennstoffe oder an der Umsetzung des UN-Klimaabkommens gearbeitet hat und welche Förderprogramme gestrichen werden können. „Trumps Haushalt und die gesellschaftlichen Kräfte, die dahinterstehen, werden von dem perversen Bedürfnis angetrieben, nichts zu wissen und dumm zu bleiben. Donald Trump hat dieses Bedürfnis nicht erfunden. Er ist lediglich seine ultimativ Verkörperung“, schreibt Michael Lewis.
NASA
Kathy Sullivan flog dreimal mit dem Space Shuttle ins All (das Foto zeigt sie bei ihrem ersten Weltraumeinsatz 1984), bevor sie die Leitung der Behörde für Ozeane und Atmosphäre übernahm, welche zum Handelsministerium gehört. Die promovierte Geologin Sullivan arbeitete mit ihrem Team intensiv daran, die Wetterprognosen zu verbessern, um beispielsweise Wirbelstürme früher vorhersagen zu können. Sie beschaffte das Geld für neue Wettersatelliten, denn die Computer brauchen für ihre Modelle möglichst genaue Daten. Außerdem wollte sie den kostenlosen, staatlichen Wetterservice bekannter machen, damit mehr Menschen ihn nutzen. Die Trump-Regierung schickte den Besitzer eines privaten Anbieters von Wetterberichten in die Behörde, also einen direkten Konkurrenten des staatlichen Wetterdienstes. Er verschwieg seinen Kunden, dass er die vom Staat erhobenen Daten nutzte und wollte die Wettervorhersagen gern komplett privatisieren. Michael Lewis fasst zusammen: „Hier standen sich Menschen gegenüber, denen es um die Sache ging, und andere, denen es ums Geld ging.“
Shealah Craighead/The White House
Auf diesem Foto steht ganz links Landwirtschaftsminister Sonny Perdue, neben ihm klatscht Handelsminister Wilbur Ross. Beide hatten bei ihrem Amtsantritt kaum eine Ahnung, was in den Ministerien passierte, die sie leiten sollten, recherchierte Michael Lewis. Sein Buch handelt von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Staatsdienst, die ihre Arbeit als Dienst an der Gesellschaft verstanden haben und dabei bestmögliche Ergebnisse erzielen wollten. Wenn sich Bob Woodward in Furcht – Trump im Weißen Haus oder Michael Wolff in Feuer und Zorn mit Donald Trump befassen, dann blicken sie hinter die Kulissen seines chaotischen Weißen Hauses. Michael Lewis enthüllt, welche Risiken für die Bevölkerung der USA bestehen und welche weltweiten Folgen es haben kann, wenn Donald Trump mit einem Team von unerfahrenen und inkompetenten Leuten regiert.
Michael Lewis: Erhöhtes Risiko. Übersetzt von Jürgen Neubauer; Campus 2019, 224 Seiten
„Es hat nicht mit Donald Trump angefangen. Er ist ein Symptom, nicht die Ursache. Er schlägt lediglich Kapital aus den Ressentiments, die Politiker seit Jahren schüren. Aus einer Angst und einer Wut, die in unserer Vergangenheit wurzeln, gleichzeitig aber auch Folge sind aus den gewaltigen Umwälzungen, die sich schon in Ihrer kurzen Lebenszeit ereignet haben“, sagte Barack Obama am 7. September 2018 vor Studentinnen und Studenten der Universität von Illinois in Urbana-Champaign. Dort erhielt er den „Douglas Award for Ethics in Government“ und mischte sich mit einer vielbeachteten Rede in den Wahlkampf vor den Kongresswahlen im November ein. Obama zog dabei eine Bilanz seiner Präsidentschaft. Er erinnerte daran, dass während der Finanzkrise 2009, als er sein Amt antrat, pro Woche 800 000 Jobs verloren gingen. Deshalb konzentrierte er sich auf Maßnahmen, mit denen Arbeitsplätze geschaffen werden konnten und wollte eine zweite Weltwirtschaftskrise verhindern: „Außerdem haben wir 20 Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner zusätzlich mit einer Krankenversicherung versorgt und unser Defizit um mehr als die Hälfte reduziert, teilweise dadurch, dass wir uns darum gekümmert haben, dass Leute wie ich, die von diesem Land so unglaublich großartige Chancen bekommen haben, ihren fairen Steueranteil aufbringen, damit hinter ihnen neue Leute nachwachsen und hochkommen können.“
John Gress Media/Shutterstock
Allerdings gehöre zur Wahrheit auch, dass er nicht alle falschen Entwicklungen in den Jahren zuvor zurückdrehen konnte: „Und trotzdem empfinden bis zum heutigen Tag viel zu viele Menschen, die sich früher mal in einer gefestigten Mittelschicht verortet haben, sehr konkrete, sehr persönliche ökonomische Unsicherheit.“ Barack Obama rechnet wortgewandt mit den Republikanern auf der Basis von Fakten ab und erinnert an eigene konkrete politische Vorschläge, um reale Probleme zu lösen. Er spricht über den Kampf gegen den Klimawandel und die Herausforderungen in der Außenpolitik, hinterfragt gängige Argumentationsmuster. Diese Rede ist lesenswert, weil Barack Obama an wichtige Prinzipien demokratischen Handelns erinnert und zugleich der inhaltsleeren und langweiligen Politpopshow seines ahnungslosen Nachfolgers mit einer offensiven Diskussion über die Zukunft begegnet.
Barack Obama: Wo wir stehen. Übersetzt von Kirsten Riesselmann; Suhrkamp 2018, 58 Seiten