Ohne zuvor ein politisches Amt ausgeübt zu haben, stand Donald Trump plötzlich als 45. Präsident der USA auf dem Rasen vor dem Weißen Haus. Welche politischen Projekte sollten seine Agenda bestimmen? Was konnte die Welt von ihm erwarten? Wie würde er sich im Oval Office verhalten? Der Journalist Michael Wolff gewann nach zahlreichen Gesprächen mit Trump-Vertrauten aus der Wahlkampftruppe schnell den Eindruck, dass der Politik-Quereinsteiger gar nicht gegen Hillary Clinton gewinnen wollte, sondern die Kampagne als preiswerte PR-Maßnahme nutze, um seinen Namen noch bekannter zu machen. Auch seine Wahlkampfleiterin Kellyanne Conway dachte so, sie kümmerte sich in der Woche vor der Wahl intensiv um ihre künftige Karriere als Politik-Kommentatorin im Fernsehen. Später prägte sie den Begriff „alternative Fakten“ und erklärte damit, wie sich die neue Regierung die Wirklichkeit zurechtlegt.
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Michael Wolff beschreibt in seinem Schlüsselloch-Report flott und kurzweilig, wie Donald Trump aus einer chaotischen und skandalgeprägten Wahlkampagne ins Präsidentenamt stolperte. Offenbar ohne Plan oder irgendeine Idee, was er mit der gewonnenen Macht anfangen kann, suchte er nach Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für seine Regierung: „Die Mitglieder des Wahlkampfteams, die mit einem Mal in der Position waren, einen Job im West Wing, dem Westflügel des Weißen Hauses, zu ergattern – um den Grundstein für eine Karriere zu legen und Geschichte zu schreiben – , waren gezwungen, diesen seltsamen, schwierigen, geradezu lächerlichen und offenbar unqualifizierten Mann in einem neuen Licht zu sehen. Er war zum Präsidenten gewählt worden.“ Sie besaßen kaum Erfahrungen mit der Arbeit in der Politik oder in einer öffentlichen Verwaltung, und wenn sie im Weißen Haus ihre Sache so gut wie möglich machen wollten, stand ihnen Donald Trump oft launisch und herrschsüchtig im Weg.
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Wie erhielt Michael Wolff diesen exklusiven Blick hinter die Kulissen? Ganz einfach, er nutzte die Übergangsphase Anfang 2017, in der es offenbar kaum Regeln für den Umgang mit den Medien gab, und hielt Augen und Ohren offen: „Kurz nach dem 20. Januar nahm ich eine Art Stammplatz auf einem Sofa im West Wing ein. Seither habe ich mehr als zweihundert Interviews geführt.“ Wohl vor allem Trumps Strategieberater Stephen Bannon plauderte aus dem Nähkästchen. Gelang es ihm anfangs noch, den Präsidenten halbwegs zu kontrollieren und die wirtschaftsnationalistische Agenda zu verfolgen, fand er sich zunehmen in einem Machtkampf mit „Jarvanka“, mit Trumps Tochter Ivanka und ihrem Ehemann Jared Kushner, wieder. Schließlich verließ Bannon das Weiße Haus.
Die beginnenden Ermittlungen über die Russland-Verbindungen, die Folgen der Entlassung von FBI-Chef James Comey und nie endende Personalquerelen verschärften die Spannungen. Donald Trump stellte sein Kommunikationsverhalten zunehmend komplett auf TV, Twitter und Telefon um: Drei Monitore im Schlafzimmer liefern ihm Informationen, per Twitter bläst er seine Meinung in die Welt und beklagt sich am Telefon bei wenigen engen Freunden über all die Ungerechtigkeiten, unter denen er zu leiden hat: „So sad!“ Mit seinem Insider-Bericht über eine gefährliche Mischung aus Inkompetenz und Intrigen zeichnet Michael Wolff ein bedrohliches Bild dieser Präsidentschaft.
Michael Wolff: Feuer und Zorn – Im Weißen Haus von Donald Trump. Übersetzt von Isabel Bogdan, Thomas Gunkel, Dirk van Gunsteren, Gregor Hens, Werner Schmitz, Jan Schönherr, Nikolaus Stingl; Rowohlt 2018, 480 Seiten
„Wenn ich mich selbst in der ersten Klasse anschaue und mich heute anschaue, dann bin ich im Grunde der Gleiche. Das Temperament hat sich nicht allzu sehr verändert“, sagt Donald Trump über sich selbst. Der Journalist Michael D’Antonio beschreibt Trump in diesem Alter als Albtraum seiner Lehrer, extrem rebellisch und störrisch darauf fixiert, seinen Willen durchzusetzen. Später meinten auch seine Eltern, mit ihm nicht mehr fertig zu werden, und schickten ihn auf ein militärisches Jungeninternat. Dort, unter dem strengen Regiment eines brüllenden Zweiten-Weltkriegs-Veterans der US-Army, blühte Donald auf: „Er musste immer und überall die Nummer eins sein. Er war schon damals ein Intrigant. Eine furchtbare Nervensäge. Er hätte alles getan, um zu gewinnen.“ Und Gewinnen war das Einzige, das zählte.
Toni Raiten-D’Antonio
Mit Episoden wie diesen zeichnet Michael D’Antonio eine lebendige und facettenreiche Biografie von Donald Trump. Er konzentriert sich darauf, wie der strebsame und umtriebige Immobilienentwickler ein bei den Medien beliebter Geschäftsmann wurde und schließlich zum Fernsehstar aufstieg. Das Immobiliengeschäft lernte Donald Trump von der Pike auf bei seinem Vater Frederick, später wollte er ihn noch übertrumpfen und suchte nach spektakulären Projekten. Der Bau des Trump-Towers in New York stärkte sein Gewinner-Image und machte ihn reich. Bereits da knüpft er Kontakte zur organisierten Kriminalität, denn ein Kartell teilte die Bauaufträge unter sich auf und sorgte im Gegenzug für einen reibungslosen Ablauf. Sein Ausflug ins Casino-Geschäft nach Atlantic City wurde dagegen ein teurer Flop, allerdings ohne dass er selbst viele Federn lassen musste. Wann immer es nötig war, umgarnte er Investoren und Politiker: „Trump verstand es, auf eine Art zu reden – angebliche Geheimnisse preisgeben, Lob verteilen, Mitgefühl äußern –, die eine künstliche Form der Freundschaft schuf. Unter diesen Bedingungen fiel es den Beteiligten schwer, bohrende Fragen zu stellen.“ Zugleich verklagte er alle, die über ihn etwas sagten oder schrieben, was ihm nicht passte.
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2005 heiratete Donald Trump zum dritten Mal, seine Frau Melania ist 24 Jahre jünger als er. Auch seine Ehen wurden in allen Phasen immer mehr zum Medienereignis, schließlich bekam er seine eigene Fernsehshow. In The Apprentice breitete er seine Philosophie vom Weg zum Erfolg aus. Er begann, sich in die Politik einzumischen und spielte immer wieder mit dem Gedanken, Präsident der USA zu werden. Im Jahr 2000 wollte er als Kandidat der Reform Party antreten und ging dafür auf Werbetour, doch schnell wurde deutlich, dass er auf diese Weise Bücher und Tickets für Veranstaltungen verkaufen wollte. 2011 griff er die schon länger kursierende Verschwörungstheorie um Barack Obamas Geburtsort auf und stelle dessen rechtmäßige Präsidentschaft infrage. Donald Trump polarisierte, süchtig nach Aufmerksamkeit, um jeden Preis. Dass er damit die Tea Party-Bewegung stärkte, war ihm egal.
Diese lesenswerte Biografie hilft zu verstehen, was den Präsidenten Trump antreibt. Weshalb er so oft beleidigt und aggressiv reagiert, warum offenbar Größenwahn und Narzissmus seine Verfassung bestimmen.
Michael D’Antonio: Die Wahrheit über Donald Trump. Übersetzt von Bettina Engels, Norbert Juraschitz, Karsten Petersen und Thorsten Schmidt; Econ 2016, 544 Seiten