„Mein Ziel ist es, Dinge einmal zu lernen und für immer anzuwenden“, lautet eine Maxime von Tim Ferriss. Offenbar ein Perfektionist, spürt er ständig nach neuen Ideen, wie er sein Leben optimieren kann. Was immer er auch entdeckt, möchte er ausprobieren und die Wirkung analysieren, um den Erfolg wiederholen zu können. Wenn er für seinen Podcast mit Menschen sprach, die außergewöhnliche Herausforderungen bestanden und besondere Erfolge erreichten, wollte er herausfinden, auf welche spezielle Art und Weise ihnen das gelang. Denn Tim Ferriss sieht sich selbst weniger als Interviewer, „sondern als jemand, der Experimente durchführt. Wenn ich etwas nicht testen oder die Testergebnisse im Alltagssumpf wiederholen kann, interessiert es mich nicht.“ Nach fast 200 Gesprächen filterte er seine wichtigsten Lehren aus diesen Begegnungen mit Leistungsträgern aus Wirtschaft, Kultur, Politik und Sport heraus. Allerdings schrieb er dieses Buch zunächst für sich. Also sortierte er die Ergebnisse in Kategorien, die ihn selbst interessieren, und wählte Gesundheit, Reichtum und Weisheit.

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Weil Tim Ferriss sehr zielorientiert vorgeht, will er nichts dem Zufall überlassen. Eine Liste von Fragen, die er fast allen Gästen für seinen Podcast stellt, zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch. Dazu gehören: „Wie sehen Ihre Morgenrituale aus? Was tun Sie in den ersten 60 Minuten des Tages?“, „Welches Buch, welche Bücher haben Sie am häufigsten verschenkt?“, „Woran glauben Sie, obwohl Sie es nicht beweisen können?“, „Was ist der schlechteste Rat, der häufig gegeben wird?“ Auch wenn viele Antworten aus dem Zusammenhang gerissen werden, geben sie doch mitunter einen tiefen Einblick in die Gedankenwelt und Arbeitsweise der Interviewpartner. Leider sind Frauen deutlich in der Minderheit, das ist ein Mangel des Buches.

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Der Schriftsteller Paulo Coelho rät beispielsweise, beim Schreiben auf Notizen zu verzichten: „Wenn man sich zum Schreiben hinsetzt, beginnt ein Reinigungsprozess, an dessen Ende nur das Wichtige bleibt. Das ist viel einfacher, als Notizen zu machen und sich mit Informationen zu überladen.“ Regelmäßig gerät er in Trance, wenn er zehn Stunden lang am Schreibtisch sitzt. Er will seine Leserinnen und Leser auf keinen Fall langweilen, vertraut ihrer Fantasie und erledigt seine Recherchen selbst.

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Bereitwillig spricht auch der Drehbuchautor, Regisseur und Produzent Brian Koppelman (auf dem Foto rechts) über sein Erfolgsrezept. Gemeinsam mit seinem langjährigen Co-Autor David Levien (auf dem Foto links) entwickelte und schreibt er die TV-Serie „Billions“, beide arbeiteten bereits am Drehbuch für „Ocean’s 13“. Er schwört auf die „Morgenseiten“, wie sie Julia Cameron in ihrem Buch „Der Weg des Künstlers“ empfiehlt: „Man schreibt drei Seiten mit der Hand und lässt die Feder einfach laufen, egal was passiert. Keine Zensur, kein Durchlesen. Nichts ist magischer, das ich je erlebt habe. Wenn du es jeden Tag als wirklich disziplinierte Übung machst, geschieht etwas mit deinem Unbewussten, das dir ermöglicht, an deinen kreativsten Ort zu kommen.“
Manches, was Tim Ferriss präsentiert, mag bekannt oder banal, gar unvollständig erscheinen. Sein „Best Of“ soll kein Ratgeber für alle Lebenslagen sein, sondern dazu anregen, den eigenen Horizont zu erweitern und erprobte Konzepte selbst zu entdecken. Die Meditationslehrerin Tara Brach und der Filmregisseur Robert Rodriguez erzählen, wie sie Schwächen in Stärken verwandeln. „Oscar“-Preisträger Jamie Foxx verrät, wie er mehr Selbstvertrauen gewann und Arnold Schwarzenegger erklärt sein Psycho-Tricks, um Gegner aus dem Konzept zu bringen. Viele der Interviewten sprechen über Meditation, Gehirntraining und Ernährung. So entstand ein buntes Sammelsurium, ein prall gefülltes Lesebuch mit Ideen, die den eigenen Alltag bereichern können.

Tim Ferriss: Tools der Titanen – Die Taktiken, Routinen und Gewohnheiten der Weltklasse-Performer, Ikonen und Milliardäre. Übersetzt von Petra Pyka, Kimiko Leibnitz, Helmut Dierlamm, Stephanie Singh, Claudia Van Den Block; FinanzBuch 2017, 736 Seiten

Zu den Rezepten für Bestseller gehört es, an frühere Erfolge anzuknüpfen und Bekanntes in Neues zu verwandeln. Also setzte Tim Ferriss erneut auf den Promi-Faktor und legte einen weiteren Band mit in ihrer Branche erfolgreichen Persönlichkeiten nach. Diesmal verließ er sich nur auf seine erprobte Sammlung von elf Fragen. Wie in seinen Podcast-Gesprächen spannte er den Bogen von Gedankenexperimenten („Wenn du an einem beliebigen Ort ein riesiges Plakat mit beliebigem Inhalt aufhängen könntest, was wäre das und warum?“) über Tipps („Welchen Rat würdest du einem intelligenten, motivierten Studenten für den Einstieg in die „echte Welt“ geben? Welchen Rat sollte er ignorieren?“) bis zu Problemlösestrategien („Was tust du, wenn dir alles zu viel wird, du nicht mehr fokussiert bist oder deine Konzentration nachlässt? Welche Fragen stellst du dir?“). Er verschickte seinen Katalog per E-Mail und kassierte auch zahlreiche Absagen. Manche gefielen ihm so sehr, dass er sie unter der Überschrift „Wie man Nein sagt“ in den Text einstreute.

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Zu den etwa 140 Porträtierten, die ihm seine Fragen beantworteten, gehört beispielsweise die Tennisspielerin Maria Scharapowa. Als eine von wenigen Athletinnen gewann sie mindestens einmal alle vier Grand-Slam-Turniere (Australien Open, French Open, Wimbedlon und US Open). Sie würde auf das Plakat „Sei authentisch“ schreiben, denn „wir werden immer durch äußere Ereignisse beeinflusst; durch Menschen, die uns nie im Leben begegnen, doch damit entfernen wir uns nur von uns selbst.“ Niederlagen sind für sie die Grundlage für Siege, weil sie dann anfängt, ihre Leistung kritisch zu hinterfragen.

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Die Journalistin und Medienunternehmerin Arianne Huffington erinnert sich, wie sehr sie es deprimierte, dass ihr 37 Verlage ihr zweites Buch ablehnten und sie kurz vor der Pleite stand. Einem Bankberater, der ihr mit einem kleinen Kredit half, weiter an ihrem Projekt zu arbeiten und so ihr Leben veränderte, schreibt sie noch heute Urlaubskarten. Ihre Mutter brachte ihr bei, dass ein Fehlschlag ein Schritt zum Erfolg ist. Tim Ferriss erweist sich mit diesem Buch erneut als optimaler Nutzer seines Materials: „Fast alle Menschen, die ich kontaktiert hatte, sind unglaublich beschäftigt, und ich hatte damit gerechnet, dass ich von ihnen bestenfalls kurze, eilige Reaktionen bekommen würde. Was stattdessen zurückkam, waren einige der überlegtesten Antworten, die ich je bekommen habe, ob auf Papier, persönlich oder auf sonst eine Weise.“
Der Historiker Yuval Noah Harari („Eine kurze Geschichte der Menschheit“, „Homo Deus“) und der Experimentalpsychologe Steven Pinker („Der Stoff, aus dem das Denken ist – Was die Sprache über unsere Natur verrät“, „Gewalt – Eine neue Geschichte der Menschheit“) liefern spannende Einblicke in ihr Denken und in ihre Arbeitsweise, Unternehmer wie Peter Guber und Steve Case lassen erkennen, wie sie Entscheidungen treffen und Prämissen setzen. Tim Ferriss lädt zu einem unterhaltsamen und facettenreichen Streifzug durch die Erfahrungswelt sehr ausgewählter Persönlichkeiten ein. Er regt die Leserinnen und Leser an, ihre eigenen Antworten auf seine Fragen zu finden. Denn die viele Tools der Mentoren können ausprobiert und weiterentwickelt werden.

Tim Ferriss: Tools der Mentoren – Die Geheimnisse der 130 Weltbesten für Erfolg, Glück und den Sinn des Lebens. Übersetzt von Petra Pyka, Kimiko Leibnitz und Sascha Mattke; FinanzBuch 2017, 640 Seiten