Eine entschiedene Reaktion auf den Aufstieg der Rechtspopulisten verlangt der Publizist Daniel Bax. Wer seine Bestandsaufnahme liest, weiß auch, wie sie ausfallen muss. Denn zunächst untersucht er umfangreich und fundiert, weshalb ihnen in zahlreichen Ländern Wählerinnen und Wähler zulaufen: „Das Ressentiment gegen eine zunehmende gesellschaftliche Vielfalt und eine liberale Elite, die diese Entwicklung zugelassen hat, ist der kleinste gemeinsame Nenner, der Rechtspopulisten und ihre Wähler verbindet. Die Wahl von Rechtspopulisten ist die Rache der Gekränkten, die sich von diesen Entwicklungen ausgeschlossen fühlen oder sich ihr schlichtweg verweigern.“ Was unterscheidet den Populismus von anderen politischen Strömungen? Wer wählt die Rechtspopulisten und warum? Woher kommt „die allgemeine Verunsicherung, die Menschen in die Arme von Populisten treiben?“ Welche Verantwortung trifft die Medien?

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Daniel Bax gibt den Volksverführern ein 360-Grad-Feedback. Dazu reist er bis in die siebziger Jahre zurück, um ihre europäische Entwicklung zu erzählen. Das ist eine Stärke seines Buches, denn er ordnet konsequent aktuelle Ereignisse langfristig ein. Diesen Weitblick zeigte er schon 2015 in „Angst ums Abendland“. Wenn er das deutsche Revival des Rechtspopulismus in Gestalt der AfD seit 2008 diskutiert, behält er die entsprechenden Bewegungen beispielsweise in Frankreich, den Niederlanden, in Österreich, Polen, Ungarn und den USA im Blick: „Sie profitieren von einem allgemeinen Vertrauensverlust in Staat, Politik und Medien, und sie bemühen sich nach Kräften, ihn zu befördern. Den Verlustängsten vieler Menschen angesichts von Globalisierung, Wertewandel und demographischen Veränderungen in einer sich verändernden Welt begegnen sie mit einer nostalgisch verklärten Version der Vergangenheit, die sie zurückzubringen versprechen.“

Wenn es unter anderem zur Opfererzählung der AfD gehört, die Medien würden ihre Meinungen unterdrücken, beweist Daniel Bax faktenreich das Gegenteil. Schließlich nennt er konkrete Aufgabenfelder von einer offensiven Wertediskussion über einen konstruktiven Journalismus, den Minderheitenschutz bis zum Zusammenschluss von progressiven Kräften, um dem Rechtspopulismus wirksamer entgegenzutreten: „Nicht zuletzt braucht es auch politische Bildung, um Verständnis für das politische System und die Bedeutung von Pluralismus, Rechtsstaat, Pressefreiheit und Gewaltenteilung vermitteln zu können, und das Vertrauen in die Institutionen zu stärken.“
Daniel Bax schrieb ein wichtiges Buch zur richtigen Zeit.

Daniel Bax: Die Volksverführer – Warum Rechtspopulisten so erfolgreich sind. Westend 2018, 280 Seiten

„Wir leben in einer Welt, in der andauernd versucht wird, die Vorstellungswelten breiter Schichten der Bevölkerung zu beeinflussen. Werbung, politischer Spin und Inszenierungen sind selbstverständlicher Bestandteil von Wirtschaft und Politik geworden“, schreiben Walter Ötsch und Silja Graupe in ihrer lesenswerten Einführung in den Klassiker „Die öffentliche Meinung“. Der Autor Walter Lippmann lebte von 1889 bis 1974, sein meistgelesenes Werk erschien 1922. Bis dahin wuchs er behütet in New York auf, reiste nach Europa und studierte Literatur, Geschichte, Philosophie und Ökonomie in Harvard, außerdem schrieb mehrere Bücher. Walter Lippmann galt als einflussreicher Berater von Präsident Woodrow Wilson, für ihn arbeitete am 14-Punkte-Plan mit, der die Ordnung nach dem Ersten Weltkrieges skizzieren sollte. Da war er keine 30 Jahre alt. Aus einer prominent besetzten Studiengruppe, zu der Lippmann gehörte, wurde nach dem Krieg der Rat für auswärtige Beziehungen gebildet, eine noch heute einflussreiche Denkfabrik. Walter Lippmann gehörte in den ersten Jahren zu ihren führenden Persönlichkeiten.

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Mit dem Hintergrund seiner ereignisreichen Biografie und  Erfahrungen in der Politik untersuchte er in „Die öffentliche Meinung“, wie der Mensch seine Umwelt wahrnimmt. Walter Lippmann nannte das, was der Mensch durch die Erzählungen aus anderen Quellen erfährt, eine Pseudoumwelt: „Sein Verhalten ist die Reaktion auf diese Pseudoumwelt. Gerade weil es sich um eine Verhaltensweise handelt, zeigen sich die Folgen, sofern es sich um Handlungen handelt, nicht in der Pseudoumwelt, von der das Verhalten angeregt wird, sondern die Handlung vollzieht sich in der realen Umwelt.“ Wie entsteht diese Pseudoumwelt, wie fest glaubt der Mensch an sie, was verändert diese Bindung?

Walter Lippmann beschrieb die emotionale Wirkung von Bildern auf das Urteilsvermögen und wollte darüber aufklären, welche Risiken im Meinungsbildungsprozess lauern. Er setzte sich damit auseinander, wie präzise die Medien Nachrichten auswählen und war davon überzeugt, dass „brauchbare“ öffentliche Meinungen geschaffen werden müssten. Deshalb forderte er unter anderem eine bessere Bildung und „zu lehren, die Quellen von Informationen und insbesondere massenmedial erzeugten Bildern kritisch zu überprüfen.“ Dass Walter Lippmann dann 1938 zu den Geburtshelfern des Neoliberalismus gehörte, verleiht dieser Ausgabe besondere Brisanz. Wer heute die Wirkung von Social Media, Deutungsrahmen und Verschwörungstheorien besser verstehen will, findet hier viele Hinweise.

Walter Lippmann: Die öffentliche Meinung – Wie sie entsteht und manipuliert wird. Mit einer Einführung von Walter Ötsch und Silja Graupe; Westend 2018, 416 Seiten