Katar, Kuwait, Saudi-Arabien und ihre langfristigen Missionierungsstrategien. Nachzulesen in „Scharia-Kapitalismus“ und in „Das Zeitalter des Zorns“.
Druckfrische, aufwendig produzierte Korane in mehreren Sprachen, Salafisten verteilten sie mitten in Deutschland. Der Journalist Sascha Adamek beobachtete vor einiger Zeit diese Aktion und fragte sich: Wer bezahlt das? Deutsche Behörden antworteten nur sehr zurückhaltend, und das machte ihn neugierig. Offenbar kam das Geld aus Katar. Doch wie sieht es mit anderen islamischen Staaten aus? Adamek nennt sie Schariastaaten, wenn sie einen großen Teil ihrer Gesetze aus dem Koran ableiten, und zählt neben Katar auch Kuwait und Saudi-Arabien dazu. Zwar unterwirft die Scharia das Geschäftsleben offiziell bestimmten Regeln, doch Sascha Adamek meint, dass sie leicht umgangen werden können: „Diese Staaten haben genau das gleiche Profitinteresse wie der Westen. Dort gehört es aber zum guten Glauben, zur Staatsräson und zum eigenen Selbstverständnis, einen bestimmten Prozentsatz der anfallenden Profite an Wohlfahrtsverbände zu zahlen. Dabei handelt es sich um religiöse Verbände, die dieses Geld für Missionierungszwecke nutzen. So landet es auch in den Kassen von Extremisten, in Syrien beispielsweise bei Dschihadisten.“ In Deutschland werden auf diese Weise radikale Moscheevereine und terroristische Gruppen unterstützt. Geheimdienste erkennen darin eine „langfristige Strategie der Einflussnahme“. Auch Geflüchtete gehören zur Zielgruppe.
Wie Radikalisierungsprozesse verlaufen, was junge Menschen ideologisch anfällig werden lässt, analysiert beispielsweise Pankaj Mishra in seinem Essay „Das Zeitalter des Zorns“. Außenseiter griffen seit jeher die aus ihrer Sicht zu Unrecht Erfolgreichen. Mishra geht weit zurück in die Geschichte, um dahinterliegende Prozesse freizulegen. Er schildert elegant und einprägsam, wie der Aufstieg des Industriekapitalismus im 19. Jahrhundert die Welt durcheinanderwirbelte. Gewalt war auch damals eine Antwort der Modernisierungsverlierer. Vor allem junge, entfremdete Männer sind seiner Meinung nach „traditionell empfänglich für nationalistische Bewegungen, militante Anarchisten und Demagogen, die zum Kampf aufrufen“, sagte Pankaj Mishra der Zeit.
Die Recherchen von Sascha Adamek beantworten nun wichtige Fragen, über die nach zahlreichen Terroranschlägen hierzulande diskutiert wird. Denn weshalb schaut der Westen zu, wie die Schariastaaten ihre Missionierungsstrategie umsetzen? Selbstverständlich geht es um viel Geld. Im Jahr 2016 belief sich der Handel zwischen Deutschland und diesen Ländern auf 58 Milliarden Euro. Die deutschen Waffenexporte in die Region, vor allem nach Saudi-Arabien, werden von der Fraktion Die Linke im Bundestag seit Jahren heftig kritisiert. Und dann spielen die saudischen Beteiligungen an deutschen Autokonzernen und der Deutschen Bank eine wichtige Rolle: „Natürlich gehören sie für diese Staaten nicht nur zum Prestige, sie kaufen damit auch Einfluss. Sie haben ihn in Deutschland bisher nicht geltend gemacht, aber in den USA schon damit gedroht“, sagt Sascha Adamek. Als die Regierung Obama einen Bericht über saudische Prominente im Zusammenhang mit dem Terroranschlag vom 11. September 2001 veröffentlichen wollte, drohte Saudi-Arabien damit, hunderte Millionen Dollar aus den USA abzuziehen. Adamek schlägt vor, den Waffenhandel zu verbieten, denn Waffen werden auch an andere Länder weitergegeben. Außerdem sollten gemeinnützige Vereine verpflichtet werden, ihre Finanzen offenzulegen, denn so ließen sich Geldströme aus dem Ausland leichter kontrollieren. Die wirtschaftlichen Beziehungen könnten ebenfalls neu gestaltet werden, Sascha Adamek nennt eine Alternative: „Saudi-Arabien kann mit unserer Hilfe in moderne Umwelttechnologien einsteigen. Wenn wir also sagen würden, dass sie aufhören sollen, hier Extremisten zu finanzieren, wird das fruchten, weil sie uns brauchen.“
Sascha Adamek: Scharia-Kapitalismus – Den Kampf gegen unsere Freiheit finanzieren wir selbst. Econ 2017, 320 Seiten
Pankaj Mishra: Das Zeitalter des Zorns – Eine Geschichte der Gegenwart. Übersetzt von Laura Su Bischoff und Michael Bischoff; S. Fischer 2017, 416 Seiten