„Ja, ich möchte außergewöhnlich sein, immer auf dem Platz, aber abseits des Platzes möchte ich einfach wie jeder andere sein“, sagte Cristiano Ronaldo seiner Richterin im Juli 2017, als sie ihn wegen möglichen Steuerbetrugs befragte. Was er mit „wie jeder andere“ in seinen Sphären meinen könnte, breiten Rafael Buschmann und Michael Wulzinger aus. Denn in ihrem Enthüllungsreport „Football Leaks“ tauchen zahlreiche aktuelle internationale Fußballstars auf. Vor allem offenbaren sie, wie gierige Berater und zwielichtige Vereinsfunktionäre mit Spielertransfers astronomische Summen verdienten, über welche Vertrags- und Firmenkonstruktionen Millionenbeträge geschleust wurden. Allein mit seinem Elfmetertor zum Sieg im Champions-League-Finale 2016 bewegte Cristiano Ronaldo über 30 Millionen Euro an Boni für Spieler, Trainer und Ex-Trainer. Hochtalentierte und erfolgreiche Ballkünstler erhalten neben ihrem Gehalt beispielsweise noch Prämien für Vertragsunterzeichnungen und -verlängerungen, Tore und Torvorlagen. Manchmal verkaufen sie ihre Vermarktungsrechte gesondert und verdienen das ganz große Geld. Wenn exorbitante Summen fließen, weshalb müssen diese Stars dann Steuern hinterziehen? Diese Frage steht zwischen den Zeilen auf fast jeder Seite. Ab 2015 arbeiteten Rafael Buschmann und Michael Wulzinger für die Spiegel-Redaktion mit dem Informanten „John“ zusammen: „Als eines seiner Hauptmotive für Football Leaks, das größte Datenleck in der Geschichte des Sports, bezeichnet er seine Wut: die Wut auf die Profiteure des schmutzigen Geldes, das der Fußball anzieht und bewegt.“ Ihr Buch schildert eindrucksvoll die monatelange akribische Recherche, um mit Dokumenten aus dem immer weiterwachsenden Datenberg spannende Geschichten erzählen zu können. Wer verhindern will, dass der Fußball immer mehr zur Spielwiese von Glücksrittern wird, sollte es lesen und darüber sprechen. Vereine müssen genauer kontrolliert werden, ob sie die Regeln des Financial Fair Play einhalten.

Rafael Buschmann, Michael Wulzinger: Football Leaks – Die schmutzigen Geschäfte im Profifußball. Penguin 2018, 352 Seiten

Stefan Gmünder und Klaus Zeyringer setzen sich in „Das wunde Leder“ mit allen auseinander, die im Fußball nur noch ein Geschäft sehen und langfristig das Spiel verderben. Zuweilen bissig bis sarkastisch listen sie auf, wie das Produkt Fußball optimiert wird: „Oligarchen und Ölmagnaten kaufen Klubs. Spieler werden wie Rennpferde gehandelt, ihre Leistungskurven wie Aktienkurse dokumentiert. Im Gegenzug verdienen sie und ihre oft dubiosen Agenten Unsummen, für die Stars wie Messi, Neymar und Cristiano Ronaldo keine entsprechenden Steuern abführen wollen.“ Richtig verrückt wird es, wenn die Fifa eine Weltmeisterschaft vergibt. Nationales Recht fällt in den betreffenden Ländern unter den Tisch, die Fifa-Funktionäre fordern Diplomatenstatus und bewegen sich wie Könige. Sollten die Kosten für den Bau von Stadien explodieren, bleiben die Ausrichterländer auf ihnen sitzen. Die Fifa kassiert Gewinne und zieht weiter. Weil die dafür nötigen Verträge zunehmend als skandalös empfunden werden, bleiben sie nicht länger geheim. Thomas Kistner untersuchte in „Fifa-Mafia“ die korrupte Ära Sepp Blatters, nun zeigen Stefan Gmünder und Klaus Zeyringer, dass sich unter Führung seines Nachfolgers Gianni Infantino sehr wenig geändert hat. Es wird Zeit, dass diese Zustände breiter diskutiert werden, denn „das gutgläubige Publikum, das über seine Steuern schon die Banken- und andere Krisen bezahlen durfte, bejubelt indes zu Hause auf der Couch, eingepfercht auf Fanmeilen oder in Stadien unverdrossen genau die Konzentrations- und Profitmaximierungsprozesse, denen es am Arbeitsplatz täglich ausgesetzt ist.“ Um ihr Talent zu entwickeln, nutzen manche Spieler, ihre Berater und Vereine eine mit Steuergeldern finanzierte Infrastruktur. Wenn sich Erfolg einstellt, wollen sie es vermeiden, ihren Anteil an die Gemeinschaft zurückzuzahlen. Die Fifa besteht auf Gemeinnützigkeit und verfügte 2015 über Reserven von anderthalb Milliarden Dollar. Was passiert mit diesem Geld? Das System funktioniert nach dem Motto „Kosten werden sozialisiert, Gewinne privatisiert“. Stefan Gmünder und Klaus Zeyringer fordern von auch von der Politik Konsequenzen, mit denen diese Entwicklung gestoppt wird.

Stefan Gmünder, Klaus Zeyringer: Das wunde Leder – Wie Kommerz und Korruption den Fußball kaputt machen. Suhrkamp 2018, 128 Seiten