Der türkische Journalist Can Dündar sorgt sich um den Zustand der Demokratie. Als Chefredakteur der Tageszeitung Cumhuriyet legte er sich mehrfach mit der türkischen Regierung an und wurde zu einer langen Freiheitsstrafe verurteilt. Darüber berichtet er in seinem Buch „Lebenslang für die Wahrheit“. Seit 2016 lebt er in Deutschland im Exil. Er beobachtet die politische Entwicklung nicht nur in seinem Heimatland genau: „In Deutschland wurden die Populisten zur größten Oppositionspartei im Bundestag, in Österreich wurden sie sogar so stark, dass sie als Koalitionspartner mitregieren, auch in Frankreich, den Niederlanden, Italien, Griechenland, Polen und Ungarn haben sie Aufwind oder sind an der Regierung beteiligt.“ Deshalb schreibt er seinem Essay leidenschaftlich gegen Lethargie, Hoffnungslosigkeit und Gleichgültigkeit an. Die Demokratie müsse aktiv verteidigt werden; es genüge nicht, als Wählerin und Wähler die Stimme abzugeben. Wir sollten uns viel stärker damit beschäftigen, Entscheidungsmechanismen zu durchschauen, sie hinterfragen und beeinflussen. Es gelte, die Meinungsfreiheit zu bewahren und konsequent einzuschreiten, wenn die Demokratie entkernt zu werden drohe. Can Dündar ruft auf, sich auf allen Ebenen des politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Lebens zu vernetzen, denn nur eine starke Gemeinschaft könne Unrecht, Rassismus und Populismus bekämpfen.
Can Dündar: Tut was! / Bir şey yap! Plädoyer für eine aktive Demokratie. Übersetzt von Sabine Adatepe; Hoffmann und Campe 2018, 80 Seiten
„In den ersten Jahren unter der Regierung der islamisch-konservativen Partei AKP, ab 2002, wurde die Türkei in Europa und Amerika gefeiert. Erdoğan hatte sein Land mit hochfliegenden Plänen modernisiert und gleichzeitig mit seiner osmanischen Vergangenheit versöhnt. Er rettete die Türkei vor dem Staatsbankrott, brachte ihr wirtschaftlichen Aufschwung und soziale Stabilität.“ Der Journalist Hasnain Kazim zog 2013 kurz nach den Gezi-Protesten nach Istanbul und geriet mitten in die Auseinandersetzungen um die Zukunft der Türkei. 2016 verließ er das Land, er hatte offenbar zu kritisch berichtet. In seinem Buch „Krisenstaat Türkei“ zeichnet er nach, wie Erdoğan nun das Land „zurück zu einem alle gesellschaftlichen Bereiche dominierenden Islam“ führt. Dabei spielten aus seiner Sicht die Diskussionen um einen EU-Beitritt der Türkei eine große Rolle. Der Krieg in Syrien, die Flucht von Millionen vor Terror und Tod, das Verhältnis zum IS und wachsende Spannungen mit den Nachbarländern verschärften die Situation. Heute sieht sich Erdoğan von äußeren und inneren Feinden umgeben. Demokratie, Pressefreiheit und Rechtsstaatlichkeit sind bedroht, Kritiker werden verfolgt und eingeschüchtert. Hasnain Kazim beschreibt diese Radikalisierung differenziert und ordnet sie in die Geschichte der Türkei und der Region ein.
Hasnain Kazim: Krisenstaat Türkei – Erdoğan und das Ende der Demokratie am Bosporus. Deutsche Verlags-Anstalt 2017, 256 Seiten