Als sich Nelson Mandela 1953 auf dem Dach des Kholvad House in Johannesburg, einem Treffpunkt der Antiapartheidaktivisten, fotografieren ließ, gehörte er zur Führung des African National Congress (ANC). 1961 begann er, den bewaffneten Kampf des ANC gegen das Regime zu organisieren und wurde im August 1962 verhaftet. 27 Jahre lang saß Nelson Mandela wegen seines Engagements gegen die Rassentrennung in Südafrika im Gefängnis, im Alter von 44 Jahren verurteilt zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Wie schaffte er es, aufrecht zu bleiben? Wie überlebte er die harten Bedingungen auf der Gefängnisinsel Robben Island vor Kapstadt, wo er insgesamt 18 Jahre lang eingesperrt war?
Cloete Breytenbach/Daily Express
Aufschluss geben Briefe, die er zwischen 1962 und 1990 schrieb. Er korrespondierte mit der Gefängnisverwaltung und anderen südafrikanische Behörden, um seine Rechte als Gefangener durchzusetzen. An der Universität London belegte er Fernstudienkurse, um die Ausbildung als Jurist abzuschließen. Einblicke in sein Seelenleben geben Briefe an die Familie, auch wenn Umfang und Anzahl in den ersten Jahren sehr stark reglementiert waren. Zensoren lasen die Schreiben mit und ließen manche nicht passieren. Als 1968 seine Mutter Nosekeni und 1969 sein erstgeborener Sohn Thembi starben, durfte er zusätzliche Briefe, sogenannte „Special Letters“ schreiben.
Matthew Willman/Robben Island Museum Mayibuye
Nelson Mandela hing sehr an seiner großen Familie. Um Einfluss auf die Erziehung seiner Kinder zu nehmen, blieben ihm in den ersten Jahren nur Briefe. Sie gehören zu den berührendsten Dokumente in diesem Buch. Ab 1985, als die Regierung mit Nelson Mandela Gespräche führte, um einen Ausweg aus der weltweiten Isolation zu finden, verbesserten sich seine Haftbedingungen. Die Briefe aus dem Gefängnis sind beeindruckende Zeugnisse seiner starken Persönlichkeit, voller Mut, Optimismus und Zuversicht.
Nelson Mandela: Briefe aus dem Gefängnis. Herausgegeben von Sahm Venter, übersetzt von Anna Leube und Wolf Heinrich Leube; C.H.Beck 2018, 752 Seiten
„Als ich ein Kind war, wurde meine Geschichte – mein kleines Universum – von zwei Dingen bestimmt: Armut und Apartheid. Dies änderte sich erst, als ich mit elf Jahren zu meinem Großvater kam, um bei ihm zu leben. Er half mir, die Welt mit anderen Augen zu sehen und meinen Platz in ihr zu finden“, schreibt Ndaba Mandela zu Beginn seiner Erinnerungen an die Zeit mit dem „Alten Mann“. So oder beim Clannamen Madiba nennt er Nelson Mandela fast immer.
Ndaba Mandela ist der zweite Sohn von Nelson Mandelas zweitem Sohn Makgatho aus erster Ehe. Seine Eltern begannen sich zu trennen, als er sieben war. Damals lebte er in Soweto. Zwischen dem fünfundsiebzigjährigen Großvater und seinem Teenager-Enkel entwickelte sich eine Beziehung irgendwo zwischen Vater/Sohn und Mentor/Schüler. Ndaba durchlief die Pubertät wie andere Heranwachsende und studierte dann Politikwissenschaften; Nelson erhielt die Chance, im späten Leben etwas von der im Gefängnis verlorenen Zeit nachzuholen: „Der Kreis unserer Beziehung schloss sich, als ich mich mit demselben Beschützerinstinkt um ihn zu kümmern begann, mit dem er einst mich als Kind bei sich aufgenommen hatte.“
Ndaba schildert die Jahre, in denen Nelson Mandela sein Land veränderte, aus einer sehr persönlichen und privaten Perspektive. Von seinem Kampf für Freiheit und soziale Gerechtigkeit wird vor einem anderen Hintergrund erzählt. Denn dass es Nelson Mandela als eine letzte große Aufgabe ansah, über die Folgen von Aids aufzuklären, lag auch daran, dass Ndabas Eltern an der Immunschwächekrankheit gestorben waren. „Mut zur Vergebung“ ist ein wunderbares Buch über afrikanische Familien, ihre Bräuche und Kultur sowie über einen ganz besonderen Menschen.
Ndaba Mandela: Mut zur Vergebung – Das Vermächtnis meines Großvaters Nelson Mandela. Übersetzt von Katja Hald, Heide Lutosch und Elsbeth Ranke; Dumont 2018, 224 Seiten