Wie „Der Aufstieg der EU zur Militärmacht“ verläuft, beobachtet der Völkerrechtler und Publizist Gregor Schirmer schon lange. Fazit: Die EU muss von militärischen Abenteuern die Finger lassen. Sie hat genug andere Probleme.

Weshalb nennen Sie die EU eine Militärmacht?

Weil sie nach dem Vertrag von Lissabon Aufrüstung betreibt und selbst Militäreinsätze einschließlich völkerrechtswidriger Kriege in aller Welt durchführt, wie beispielsweise in Zentralafrika. Sie befehligt den Atalanta-Einsatz vor und an den Küsten Somalias. Dafür hat sich die EU einen eigenen militärischen Führungsapparat mit Militärausschuss, Stab, Operations- und Lagezentrum geschaffen. Und die EU hat zwar die imperialistischen Kriege gegen Jugoslawien, den Iran, Afghanistan und Libyen nicht direkt mit geführt, war aber indirekt und mit vielen ihrer Mitgliedstaaten beteiligt.

Welche Unterschiede gibt es noch zwischen Einsätzen der NATO und denen der EU?

Im Prinzip keine, denn es besteht eine Arbeitsteilung. Die EU darf selbständige Einsätze dort starten, wo die NATO nicht eingreifen will.

Sie bescheinigen der EU ein Demokratie-Defizit. Wie kann es behoben werden?

Behoben werden kann es in der gegenwärtigen Verfasstheit der EU nicht. Es kann gemildert werden, indem beispielsweise das Europäische Parlament mehr Entscheidungsrechte bekommt, auch in der Außen- und Militärpolitik. Da hat es gegenwärtig überhaupt nichts zu sagen.

Auf welche Aufgaben sollte sich die EU ihrer Meinung nach konzentrieren?

Insbesondere auf die verbindliche Ausrichtung der Wirtschafts- und Währungspolitik an den Erfordernissen der sozialen Sicherheit und des Umweltschutzes.

Wie müsste der EU-Vertrag verändert werden?

Es müsste auf einem demokratischen Weg ein europäischer Konvent einberufen werden, der die zwei EU-Verträge einer grundsätzlichen Revision unterzieht. Besser wäre es aber, wenn anstelle dieser Verträge eine Verfassung tritt, über die dann die Völker selbst entscheiden. In diesem Rahmen müsste die EU in einen zivilen Staatenverbund zurückgebaut werden, der ausschließlich dem Frieden verpflichtet ist. Realistisch wird das aber nur, wenn die Bürgerinnen und Bürger durch demokratische und solidarische Bewegung die gegenwärtigen Machtverhältnisse in den Mitgliedstaaten ändern.

Gregor Schirmer: Der Aufstieg der EU zur Militärmacht. Spotless 2012, 256 Seiten