Wenn sich in der Gesellschaft Ängste vor Abstieg und Armut aufstauen, führen auch sie zu Feindbildern, Rassismus und Polarisierung. Da helfen klare Analysen, die Ursache und Wirkung trennen, um Lösungen zu entwickeln. Yanis Varoufakis widersprach stets scheinbar alternativlosen neoliberalen Erklärungsmustern, wenn die Sprache auf die ökonomischen Ursachen der gegenwärtigen Krise kam. Auch in seinem neuen Buch lässt er nicht locker: Wirtschaftspolitische Wendepunkte der jüngeren Geschichte wie die Machtkämpfe um die Vorherrschaft in der Eurozone bis zum Börsen- und Bankencrash bilden das Gerüst für seine Forderungen, beispielsweise nach Schaffung eines europäischen Finanzministeriums. Denn Yanis Varoufakis sieht die Ursachen für die prekäre Lage in Europa nicht im Gegensatz zwischen Nord und Süd oder in der Zuwanderung von Flüchtlingen, sondern in Konstruktionsmängeln des Euro: Es fehlen demokratische Kontrollmechanismen, deshalb zahlen Arme immer wieder für das Versagen von Reichen.

Yanis Varoufakis: Das Euro-Paradox – Wie eine andere Geldpolitik Europa wieder zusammenführen kann. Übersetzt von Ursel Schäfer; Antje Kunstmann 2016, 384 Seiten

Für den Soziologen Oliver Nachtwey leben wir schon länger in einer Abstiegsgesellschaft. Auch sehr gute Bildung garantiert keine soziale Sicherheit mehr; befristete Beschäftigung, Leiharbeit und Werkverträge sorgen für prekäres Leben unter Spannung. Viele Betroffene beginnen sich zu wehren: „Was allen Protesten bisher allerdings fehlt, ist eine Idee von einer gelingenden Zukunft. Man sehnt sich lediglich nach den vermeintlich besseren Zeiten der sozialen Moderne zurück. Nicht zuletzt deshalb bleibt das Aufbegehren spontan und episodisch.“ Wie also sollte die linke Erzählung von einer Wende zum Besseren in den kommenden Jahren geschrieben werden? Wo knüpft sie an, wie wird sie ausgestaltet, was wird von ihren Protagonisten erwartet? Wer sich diese Fragen stellt, findet bei Oliver Nachtwey kluge Anregungen.

Oliver Nachtwey: Die Abstiegsgesellschaft – Über das Aufbegehren in der regressiven Moderne. Suhrkamp 2016, 264 Seiten