„Derlei Argumente prallen an Bond ab wie Maschinengewehrkugeln an der Außenhülle seines Aston Martin DB5“, schreibt Wieland Schwanebeck über die jeden 007-Fan ermüdende „Beweisführung, die die Physik der Filme als unwissenschaftlich und ihre Dramaturgie als an den Haaren herbeigezogen entlarven will.“ Auch Sexismus, Ideologie und imperiale Überheblichkeit in den Büchern und Filmen führen immer wieder zu heftigen Diskussionen. Der Literatur- und Kulturwissenschaftler sieht James Bond als „das Produkt einer unterdrückten Trauer über den Bedeutungsverlust des britischen Empires, und er ist aus den Fiktionen des 19. Jahrhunderts geboren, besonders aus den Männlichkeitsfantasien der viktorianischen Erziehungs- und Abenteuerliteratur.“ Lernen könne man vom berühmtesten Agenten, dass der Schein trügt und das vermeintlich Vertraute in Wahrheit fremd ist, ansonsten habe sich er sich von der klassischen Spionagegeschichte inzwischen weit entfernt.

Privat

Als seinen ersten Bond sah er Pierce Brosnan im 1997er Film Der Morgen stirbt nie. Wieland Schwanebeck analysiert 007 auf 100 Seiten: Er untersucht neben dem Helden dessen Gegner, legt Erzählstrukturen offen, zieht Vergleiche zu anderen Büchern und Filmen des Genres. So nähert er sich dem Phänomen und der Reizfigur Bond, spürt dem Erfolgsrezept der Reihe nach. Bei aller Kritik bescheinigt er: „Fleming ist ein versierter Stilist, dessen minutiöse Beschreibungen weit über dem Genredurchschnitt liegen und der mit sicherem Strich Schauplätze und Stimmungen skizziert.“ Von 1953 bis 1965 veröffentlichte der Schriftsteller zwölf Romane und Kurzgeschichten über Bond, zudem produzierte er Reiseberichte, Kinderbücher und Zeitungsartikel. Die 007-Abenteuer schrieb Ian Fleming in seinem Ferienhaus Goldeneye auf Jamaika.

Capital Pictures/picture alliance

Ausführlich beschäftigt sich Wieland Schwanebeck mit dem Verhältnis der Geschlechter. Frauen „werden in den 1960er Jahren häufig mit internationalen Models besetzt, wobei die Produzenten ähnlich vorgehen wie bei der Auswahl der Drehorte – nur die Schönsten aus der ganzen Welt sollen es sein.“ (Auf dem Foto aus dem Dr. No-Jahr 1962: Ursula Andress, Sean Connery und Ian Fleming.) Auch wenn nun von Bond-Frauen statt Bond-Girls gesprochen wird, fragt er sich, ob man bei Bond überhaupt dreidimensionale Frauenfiguren und ausgewogene Dialoge erwarten könne. Schließlich gehöre das Dominanzverhalten zur DNA der Geschichte und eine Veränderung könne ihre Balance verschieben. Immerhin bekam Bond in Goldeneye mit Judi Dench als M eine Chefin, die ihn erst zusammenstauchte und in Skyfall in seinen Armen starb. Ebenso genau verfolgt er den Stil der Bond-Darsteller, die technische Entwicklung der Filme und die Reaktion der Produzenten auf veränderte Erwartungen des Publikums. Diese knappe Bond-Zusammenfassung bietet einen unterhaltsamen Überblick über die Reihe.

Wieland Schwanebeck: James Bond. 100 Seiten. Reclam 2021, 100 Seiten

Kaufen + Lesen

Greg Williams/Capital Pictures/ddp images

Bond braucht Body. Als sich Daniel Craig 2019 während der Dreharbeiten zu No Time To Die am Knöchel verletzte, hielt er sich während der Erholung wieder mit einem intensiven Fitnessprogramm fit. „Dieser Bond“, schreibt Wieland Schwanebeck, „hat nicht nur aufgrund seines Äußeren unser Bild von 007 auf den Kopf gestellt. Berichtete die Presse 1973 noch, Roger Moore sei von den Produzenten zur Drehvorbereitung lediglich zum Friseur geschickt worden und habe ansonsten sich selbst spielen dürfen, ist der Weg zu Bond jetzt ein Leidensweg.“ Sean Connery und George Lazenby übernahmen die Rolle mit Anfang dreißig, ihre Nachfolger mit etwa vierzig. Daniel Craig verkörperte sie über einen Zeitraum von 15 Jahren, doch James Bond zeigt keinen Verschleiß. Er wiegt stets 76 Kilogramm bei einer Körpergröße von 1,83 Metern und „hat damit einen perfekten Body-Mass-Index von 22,7“, berechnen die Physiker Metin Tolan und Joachim Stolze.

Die Lizenz zum Töten befreit Bond nicht von den Gesetzen der Physik, Schwerkraft und Energieerhaltungssatz gelten auch für ihn. Metin Tolan und Joachim Stolze von der Universität Dortmund unterziehen 007 einem profunden Realitätscheck. Dafür recherchierten sie die technischen Daten von Autos und Flugzeugen, ermittelten geografische Merkmale von Drehorten, rechnen mit Größe und Gewicht der Figuren. So vermitteln sie auch, vor welchen Herausforderungen eine Filmproduktion steht, wenn sie Actionszenen plant. Ihre Ergebnisse basieren vor allem auf drei Gesetzen von Isaac Newton aus dem Jahr 1687, welche die Trägheit, Beschleunigung und Kraft von Körpern beschreiben und universell in der Natur gelten: „Erst wenn sich Körper annähernd mit Lichtgeschwindigkeit bewegen, verlieren die Newton’schen Axiome ihre Gültigkeit und müssen durch die Gesetze der Speziellen Relativitätstheorie von Albert Einstein, die er im Jahr 1905 gefunden hat, ersetzt werden.“

Jürgen Huhn/TU Dortmund

Metin Tolan veröffentlichte bereits Bücher über die Rolle der Physik im Fußballspiel, in der Science-Fiction-Serie Star Trek und beim Untergang der Titanic. Sein Wissen präsentiert er kurzweilig, geht Geheimnissen akribisch auf den Grund und liefert allen, die es ganz genau wissen wollen, nötige Formeln zum Nachrechnen. Die Erstausgabe ihres Bond-Buches schrieben die Professoren Metin Tolan und Joachim Stolze, nachdem im Sommersemester 2007 insgesamt 41 Studentinnen und Studenten die Abenteuer des Agenten untersuchten und fügten nach weiteren Filmen spannende Erkenntnisse hinzu. Sie berechneten, welche Kräfte auf Bond wirken, wenn er in Ein Quantum Trost nach kurz geöffnetem Schirm auf den Boden prallt oder in Skyfall aus 104 Metern Höhe ins Wasser stürzt. Im ersten Fall schlägt er mit 35, im zweiten mit 140 Kilometern pro Stunde auf.

TCD/Prod DB/Alamy

Wenn Bond in Spectre von einem Schnellboot aus mit seiner Pistole auf den 500 Meter vor ihm fliegenden Helikopter von Blofeld schießt, fragen sich viele, ob er wirklich treffen kann. Ja, mit Glück! Die Kugel fliegt mit 300 Metern pro Sekunde zum Hubschrauber. Weil der sich „mit 120 Kilometern pro Stunde bewegt, schafft er in dieser Zeit eine Strecke von ca. 55 Metern“, schreiben die Physiker. „Auch die Kugel fällt in dieser Zeit von 1,6 Sekunden, nachdem sie die Mündung der Waffe verlassen hat, um ca. 12 Meter nach unten, was wiederum etwa drei Hubschrauberhöhen entspricht.“ Bond muss also weit neben den Hubschrauber zielen. Metin Tolan und Joachim Stolze untersuchen ebenso interessante Fälle aus Goldfinger und Moonraker, nehmen die Magnetuhr aus Leben und Sterben lassen unter die Lupe und den Raketenrucksack aus Feuerball. Um ihre Aha-Erlebnisse zu verstehen, muss man die Abenteuer von 007 nicht komplett kennen. Vielmehr wecken sie das Interesse für Physik im Alltag und machen das Leben leichter.

Metin Tolan, Joachim Stolze: Geschüttelt, nicht gerührt – James Bond im Visier der Physik. Piper 2020, 336 Seiten

Kaufen + Lesen