Den „Stresstest Deutschland“ wertet der Journalist Jens Berger aus. Ergebnis: Durchgefallen!
Weshalb besteht Deutschland den Stresstest nicht?
Deutschland ist kein Land, in dem die Rahmenbedingungen jedem Bürger zumindest die Chance geben, ein ordentliches Leben zu führen und sein persönliches Glück zu finden. Die Einkommen driften immer weiter auseinander, zwölf Millionen Deutsche gelten als armutsgefährdet, fast sieben Millionen Deutsche arbeiten im Niedriglohnsektor. Die Politik kennt diese Probleme und unternimmt nichts, um sie zu lösen. Im Gegenteil, die neoliberalen Dogmen scheinen immer noch in den Köpfen der Mächtigen zu spuken.
Was muss passieren, damit die Gesellschaft nicht weiter auseinander driftet?
Die Politik muss sich endlich einmal fragen, was sie eigentlich will. Eine sozialdarwinistische Gesellschaft, in der das Recht des Stärkeren gilt oder eine möglichst gerechte Gesellschaft, in der ungleiche Startbedingungen ausgeglichen werden und alle Bürger ein Recht auf gesellschaftliche Teilhabe bekommen. Es gibt sehr viele Instrumente, mit denen das Ziel eines gerechteren Staates erreicht werden kann. Im Buch zähle ich da viele sehr konkrete Beispiele auf. Es geht hier ja auch nicht um soziale Sentimentalität, sondern es gibt knallharte volkswirtschaftliche Gründe, warum es auch für alle, also auch die Wirtschaft, am besten ist, wenn es eine Gesellschaft ohne extreme Ungleichheit gibt. Will man jedoch stattdessen einen Staat, in dem das Recht des Stärkeren gilt, so muss man dies auch so sagen, damit die Wähler sich ein klares Urteil bilden können.
Bei der Bewältigung der Wirtschafts- und Finanzkrise will die Bundesregierung anderen Staaten ihre Konzepte aufdrücken. Kann das funktionieren?
Um Himmels Willen, nein. Hartz IV für Europa wäre nicht nur aus der Gerechtigkeitsperspektive heraus eine Katastrophe. Europa darf nicht deutscher werden, Deutschland muss europäischer werden.
Jens Berger: Stresstest Deutschland – Wie gut sind wir wirklich? Westend 2012, 255 Seiten