„Immer schön auf Augenhöhe“ heißt das Motto von Gesine Lötzsch. Seit 2002 sitzt sie für die PDS und DIE LINKE. im Bundestag. Nun erzählt sie vom Alltag zwischen Parlament und Wahlkreis in Berlin-Lichtenberg.

Wie schaffen Sie es, als Politikerin mit beiden Beinen auf der Erde zu bleiben?

Das geht nur, wenn man mehr Zeit mit den Bürgerinnen und Bürgern verbringt als mit seinen Kollegen im Bundestag. Gerade auf der Straße wird nicht lange herumgeredet, die Menschen bringen ihre Probleme und ihren Ärger ungeschminkt auf den Punkt.

Der FDP verpassten Sie den Titel „Mövenpick-Partei“ und Spekulanten, die 2008 eine Finanzkrise verursachten, nannten Sie „Taliban in Nadelstreifen“. Wie groß ist Ihre Lust, die politische Diskussion auf die Spitze zu treiben?

Die Menschen nehmen sich immer weniger Zeit, lange Artikel in den Zeitungen zu lesen. Ich finde es gut, Aussagen populär zu formulieren. Gute Politik sollte sich mit ihrer Sprache nicht abkapseln, sondern dicht an den Erfahrungen der Menschen sein. Für „Taliban in Nadelstreifen“ wurde ich vom Bundestagspräsidenten gerügt. Er hatte nicht verstanden, dass die Finanzindustrie eine globale Bedrohung ist. Wir haben die letzte Finanzkrise noch nicht überstanden, da droht uns schon die nächste. Die staatlichen Regulierungen haben sich als unwirksam erwiesen. Die versprochene Finanztransaktionssteuer gibt es bis heute nicht.

Sie leiten den Haushaltsausschuss des Bundestages, und aktuell wird über die Rüstungsausgaben diskutiert. Wo würden Sie kürzen? 

Wenn wir zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für das Militär ausgeben würden, müssten wir die Ausgaben verdoppeln. Das wäre ein riesiges Konjunkturprogramm für die Rüstungsindustrie. Es würde aber unser Land nicht sicherer machen. Das Verteidigungsministerium ist Spitzenreiter bei der Verschwendung von Steuergeldern. Es gibt kaum Rüstungsprojekte, die zu dem Preis geliefert werden, zu dem sie bestellt wurden. Ich denke nur an das Transportflugzeug A400M. Die Bundesregierung darf sich vom US-Präsidenten nicht erpressen lassen. Ein friedliches Europa gibt es nur durch eine friedliche Außenpolitik.

Gesine Lötzsch: Immer schön auf Augenhöhe. Eulenspiegel 2017, 160 Seiten