Unser Finanzsystem ist krank, weil dort „Die Psycho-Trader“ unterwegs sind. Volker Handon muss es wissen, weil er seit 25 Jahren mit Wertpapieren handelt. Inzwischen arbeitet er auf eigene Rechnung.

Wie gefährdet ist das Finanzsystem?

Ich halte es für sehr gefährdet, weil die Bilanzrisiken der Banken nach wie vor viel zu hoch sind und sie einem echten Belastungstest niemals standhalten können. Solange die EZB jederzeit bereit ist, im Notfall einzuspringen, besteht aktuell keine Crashgefahr. Das wissen alle Marktteilnehmer und wiegen sich daher in einer trügerischen Entspanntheit.

Welche Rolle spielt dabei die Politik?

Sie war seit der Deregulierung der Finanzmärkte auf beiden Augen blind und hatte sechs Jahre Zeit, um das Bankensystem sicherer und gerechter zu machen. Es wurde zu viel Rücksicht auf üppige Ertragsquellen genommen. Die Lobbyarbeit der Finanzindustrie funktioniert nach wie vor bestens.

Sie sind Gegner einer Finanztransaktionssteuer. Was ist eine Alternative?

Nach den bekannten Vorschlägen werden alle Beteiligten an jeder Finanztransaktion, die über eine Börse läuft, in unverhältnismäßig hoher Weise belastet. Das Handelsvolumen würde stark abnehmen, weshalb auch die kolportierten Einnahmen reine Illusion sind. Bei allen außerbörslichen Finanzgeschäften würde die Steuer ungerechter Weise nicht anfallen. Sie machen aber den größten Teil aller Transaktionen aus und sind ein extremes Risiko für das Finanzsystem. Eine sinnvollere Lösung wäre die Zusammenlegung und  Verstaatlichung aller europäischen Börsen. Neben einer echten Kontrolle würde eine dauerhaft sprudelnde Einnahmequelle geschaffen, und der Staat würde davon profitieren.

Wie würde ein gerechtes Finanzsystem aussehen?

Alle Finanztransaktionen müssten über eine staatliche Börse getätigt werden. Sämtliche unverzinsten privaten Verrechnungskonten, also alle privaten Girokonten, müssten eine hundertprozentige staatliche Deckungsgarantie erhalten. Besitzer solcher Konten können niemals Gläubiger einer Bank sein. Die Bilanzregeln für die Bewertung von risikobehafteten Aktiva bei Banken müssen restriktiv verändert werden. Die herrschenden Regeln lassen zu viel Freiraum für die Verschleierung von Bilanzrisiken. Der Einfluss der Lobbyisten müsste transparent geregelt werden.

Volker Handon: Die Psycho-Trader. Aus dem Innenleben unseres kranken Finanzsystems – Ein Insider erzählt. Westend 2015, 256 Seiten