Wie wir in mehr „Freiheit statt Kapitalismus“ leben könnten, entwickelt Sahra Wagenknecht in ihrem neuen Buch. Weil der Kapitalismus auf ganzer Linie versagt, verlangt sie einen „kreativen Sozialismus“.

Gibt es im Kapitalismus keine Freiheit?

Der heutige Kapitalismus schränkt Freiheit stark ein. Wer sich von einem befristeten Job zum nächsten hangeln muss, kann sein Leben nicht mehr planen. Wer auf Hartz IV angewiesen ist, wird gedemütigt und gegängelt. Auch wer gut verdient, aber kaum noch Zeit für Familie und Freunde hat, ist nicht frei.

Weshalb ist der heutige Kapitalismus unproduktiv, inwiefern halten Sie den Sozialismus für kreativ?

Der Kapitalismus war früher hochproduktiv. Aber heute werfen große Unternehmen lieber Geld für Dividenden und Aktienrückkäufe hinaus, statt zu investieren. Im Zeichen maximaler Rendite werden reguläre Arbeitsplätze vernichtet. Großbanken gehen lieber zocken, als Mittelständlern Kredite zu gewähren. Hinzu kommt die extrem ungleiche Einkommensverteilung. Ausgerechnet die, die schon genug haben, bekommen immer mehr, während der Normalbürger jeden Euro immer öfter umdrehen muss. Der Kapitalismus hat seine Kreativität weitgehend verloren, ein erfolgreicher Sozialismus muss Kreativität vehement fördern.

Wettbewerb und Sozialismus – wie geht das zusammen?

Der Kapitalismus ist keine Leistungsgesellschaft, eher eine Erbengesellschaft. Großes Wirtschaftseigentum befindet sich in den Händen weniger Familien und wird in ihnen weitergegeben. Die höchsten Einkommen sind leistungslose Bezüge aus solchem ererbten Vermögen. Arbeitsleistung wird dagegen immer schlechter bezahlt. Genau das muss der Sozialismus umkehren. Auch Wettbewerb ist heute vielfach eine hohle Phrase. Viele Märkte werden von einer Handvoll Großunternehmen beherrscht, die Zulieferern und Kunden die Konditionen diktieren. Sozialismus muss dagegen echten Leistungswettbewerb ermöglichen. Die Planwirtschaft hat nicht funktioniert, und nur eine produktive Gesellschaft kann am Ende auch sozial gerecht sein.

Sahra Wagenknecht: Freiheit statt Kapitalismus. Eichborn 2011, 364 Seiten