„Auch wenn die vulgäre, frauenfeindliche und rassistische Sprache Donald Trumps ein Spiegel seiner Politik und seines Denkens ist, in dem das Gewinnstreben rücksichtslos jede empathische Regung zunichtemacht, ist sie doch auch das Produkt einer Epoche und einer Gesellschaft“, fasst die Übersetzerin Bérengère Viennot ihre professionellen Erfahrungen mit dem amerikanischen Präsidenten zusammen. Sie lehrt Übersetzen an einer Pariser Universität und analysierte zahlreiche Interviews, Reden und öffentliche Auftritte, bevor sie Donald Trump den mit Superlativen überfrachteten Wortschatz eines Sechstklässlers attestierte. Seine Sprache bleibt aus ihrer Sicht oft vage und konfus, weil er es offenbar nicht besser weiß. Seinen Aussagen mehr Tiefe zu verleihen, würde von der Übersetzung zur Überarbeitung führen: „Je präziser, gelehrter und zugespitzter die Begriffe, desto klarer ihre Bedeutung, während Vielzweckwörter meist unspezifischer, manchmal geradezu sinnentleert wirken.“

Pierre Hybre/MYOP

Bérengère Viennot setzt sich nicht nur mit der Trumpschen Syntax auseinander. Sie untersucht, was er mit seiner Sprache ausdrückt und anrichtet. Seine Twittersucht demonstriert ihrer Meinung nach, wie er die Autorität seines Amtes nutzt, um von Gefühlen geprägte erste Eindrücke als Ergebnisse gründlichen Nachdenkens zu verkaufen. Donald Trump meidet lange Texte und wirkt oft schlecht informiert. Er kultiviert seine permanenten Grenzüberschreitungen als Stilmittel, um vor seinen Fans bewusst jeden Anschein präsidialer Anpassung zu vermeiden. Denn nur so füllt er nach eigener Aussage die Hallen, in denen er auftritt. Das Fazit der Analyse: „Das Problem besteht nicht in seiner vermeintlichen Dummheit, sondern in seiner mangelnden intellektuellen Neugier. Solange man sich der menschlichen Kultur und der Erfahrung anderer verschließt, verschließt man sich auch dem kulturell stimulierten Denken. Die Sprache von Donald Trump dreht sich im Kreis, genau wie seine Aussagen und sein politisches Denken: Er nimmt sich selbst zum alleinigen Maßstab aller Entscheidungen.“
Bérengère Viennot schrieb ein lesenswertes und kurzweiliges Buch über ihre Erfahrungen mit dem amtierenden amerikanischen Präsidenten. Nebenbei verrät sie viel über die spannende Arbeit als Übersetzerin.

Bérengère Viennot: Die Sprache des Donald Trump. Übersetzt von Nicola Denis; Aufbau 2019, 154 Seiten

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Wie sich mächtige Politikerinnen und Politiker der Sprache bedienen, um Diskussionen über ihre Arbeit zu vermeiden, hinterfragt die Politikwissenschaftlerin Astrid Séville: „Braucht die Demokratie ab und an ein populistisches Aufbegehren und eine emotionale Polarisierung der politischen Arena, um sich aus dem Würgegriff der technokratischen Unsprache, der sterilen Rationalität und der Komplexität politischer Verfahren in ausdifferenzierten Gesellschaften zu befreien?“ Wenn beispielsweise der amerikanische Präsident Donald Trump Schutzzölle verhängt und China den Freihandel hochhält, weichen nicht nur kommunikative Grenzen auf.
Um Ordnung zu schaffen, untersucht Astrid Séville anfangs den Kommunikationsstil der britischen Premierministerin Margret Thatcher, die ihre Amtsführung in den 1980iger Jahren kurz und bündig als alternativlos bezeichnete. Später übernahm die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel den Slogan als „rhetorische Allzweckwaffe“ und stellt aus Sicht von Astrid Séville damit „die eigene Ideologielosigkeit ohne großes hierarchisches Machtgetöse zur Schau. Bei Merkel werden das eigene Kabinett, die eigene Fraktion und der Koalitionspartner durch eine pragmatische Sachlichkeitsrhetorik diszipliniert.“

Christoph Mukherjee

Doch Zweifel, Kritik und Unmut können so nicht ewig unterdrückt werden, irgendwann verliert jede Beschwörungsformel ihren Zauber. In Deutschland schlug diese Stunde mit Beginn der Krise in der Eurozone, als die Bundesregierung immer neue Rettungspakete für Banken rechtfertigen musste. Die Art und Weise, wie ab 2015 der linken Regierung in Griechenland Sparmaßnahmen aufgezwungen und diese als alternativlos präsentiert wurden, warf Fragen nach dem Sinn solcher Politik auf. Astrid Séville analysiert scharfsinnig, wie glaubwürdig in Deutschland noch das Ziel der „Schwarzen Null“ wirkt, wie die „Schuldenbremse“ in die Haushaltspolitik eingreift. Angesichts immer neuer Herausforderungen für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft rät sie schließlich, wählbare Alternativen zu benennen und „die hohe Kunst des politischen Kompromisses“ zu betonen, denn sonst „wird ein Bruch zwischen den öffentlich vorgetragenen Zielen eines Politikers und seinen tatsächlichen Handlungen, Taktiken und Entscheidungen sichtbar.“

Astrid Séville: Der Sound der Macht – Eine Kritik der dissonanten Herrschaft. C.H.Beck 2018, 192 Seiten

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